Beim Stockwerkeigentum wird zwischen gemeinschaftlichen Teilen, welche im Eigentum aller Stockwerkeigentümer stehen, und dem Sonderrecht des einzelnen Eigentümers unterschieden. Die Zuordnung zu der einen oder anderen Kategorie spielt eine wesentliche Rolle nicht nur bezüglich der Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Stockwerkeigentümer, sondern auch bezüglich der Kostentragung.
Aufgrund der Funktion dieser Einrichtungen wurden stets unterschiedliche Auffassungen vertreten. Sonnenstoren/Rollläden/Jalousien gehören – so die eine Auffassung – wie die Fenster zu den gemeinschaftlichen Teilen, weil sie für die äussere Gestalt und das Aussehen des Gebäudes von Bedeutung sind. Da die Fenster aber andererseits der Abgeschlossenheit der einzelnen Stockwerkeinheit bzw. der Licht- und Luftzufuhr dienen gehören die Fenster und deren Ergänzungen (Sonnenstoren/Jalousien/Rollläden) – so die andere Auffassung – zum Sonderrecht.
Herrschende Lehre
Die herrschende Lehre hat stets die Auffassung vertreten, gewöhnliche Fenster sowie Sonnenstoren/Jalousien/Rollläden seien grundsätzlich sonderrechtsfähig, weil das Interesse des Stockwerkeigentümers an den Fenstern und deren Ergänzungen stärker zu gewichten sei, als das Interesse der Stockwerkeigentümergemeinschaft. Früher wurde gefolgert, das überwiegende Interesse des Stockwerkeigentümers mache die Fenster deshalb sonderrechtsfähig. Diese könnten also bei der Begründung des Stockwerkeigentums als Sonderrecht ausgestaltet werden. Heutzutage wird aufgrund der gesetzlichen Vermutung (Art. 712b Abs. 2 ZGB), wonach nicht zwingend gemeinschaftliche Teile Sonderrecht darstellten, davon ausgegangen, dass gewöhnliche Fenster und deren Ergänzungen ohne anderslautende Bestimmung im Reglement stets zum Sonderrecht gehören.
Begründungsakt
Klar ist die Rechtslage also nur in denjenigen Fällen, in denen schon bei der Begründung des Stockwerkeigentums eine ausdrückliche Zuordnung der Fenster sowie der Sonnenstoren/Jalousien/Rollläden vorgenommen wurde (zu den gemeinschaftlichen Teilen oder zum Sonderrecht). Besteht eine ausdrückliche Regelung im Reglement, so ist diese massgebend. Ist bei der Begründung des Stockwerkeigentums auf eine ausdrückliche Zuordnung verzichtet worden, ist die Rechtslage nicht eindeutig.
Konsequenzen der Sonderrechtsvermutung
Die Zuordnung der Fenster sowie der Sonnenstoren/Jalousien/Rollläden zum Sonderrecht hat zur Folge, dass die einzelnen Eigentümer diese Einrichtungen auf eigene Kosten unterhalten müssen. Trotz der Sonderrechtsvermutung wird davon ausgegangen, dass die Stockwerkeigentümer bei der Auswahl neuer Fenster bzw. deren Ergänzungen nicht völlig frei sind. Sonnenstoren/Jalousien/Rollläden müssen vom Aussehen und der Form her denjenigen der anderen Eigentümer entsprechen. Zudem ist der Stockwerkeigentümer gehalten, die Fenster und deren Ergänzungen so zu unterhalten, wie es zur Erhaltung des Gebäudes in einwandfreiem Zustand und gutem Aussehen erforderlich ist. Bezüglich der Fenster bedeutet dies allerdings nur, dass der Stockwerkeigentümer die Fenster sowie Sonnenstoren/Jalousien/Rollläden so unterhalten muss, dass der optische Gesamteindruck der Liegenschaft nicht beeinträchtigt wird.
lic.iur. Thomas Oberle
Jurist beim HEV Schweiz
www.hev-schweiz.ch
Der Hauseigentümerverband Schweiz (www.hev-schweiz.ch) ist die Dachorganisation der schweizerischen Wohneigentümer und Vermieter. Der Verband zählt rund 340’000 Mitglieder und setzt sich auf allen Ebenen konsequent für die Förderung und Erhaltung des Wohn- und Grundeigentums in der Schweiz ein.